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RA Dr. Herbert Schneider, Erfurt*

Zur Auslegung von Pachtvertragsklauseln 1

Das Pachtrecht ist nach wie vor eine Materie, zu der es immer wieder Fragen gibt, die von den Landwirtschaftsgerichten entschieden werden müssen. Aus der anwaltlichen Praxis soll der folgende pachtrechtliche Fall mitgeteilt werden:

Am 6. 8. 1998 schlossen die Verpächterin mit der Beklagten, einem Landwirtschaftsbetrieb in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft (eG) einen Landpachtvertrag über ca. 14,3 ha. Unter § 14 Abs. 2 des Vertrages vereinbarten die Parteien wörtlich folgendes:

„Dem Verpächter wird eine Verminderung der Pachtfläche gestattet, wenn ein Verkauf des Grund und Bodens als Bauland möglich ist. Desweiteren, wenn der Verpächter oder seine Kinder die verpachteten Flächen zur eigenen landwirtschaftlichen Nutzung benötigen.“

Das Wort „eigenen“ war unterstrichen. Im Jahre 2007 verstarb die Verpächterin und der Kläger, ein landwirtschaftlicher Einzelbetrieb, erwarb die streitgegenständlichen Flächen von deren Erben. Am 8. 8. 2007, kurz vor dem Tod der Verpächterin, wurde der Pachtvertrag noch verlängert, und zwar bis zum 31. 12. 2015.

Der neu in den Vertrag eingetretene Landwirt beantragte, die Beklagte zu verurteilen, einer Flächenverminderung der Pachtgrundstücke zuzustimmen.

Das Landwirtschaftsgericht Gera ging davon aus, dass die Klage begründet ist und dass der Kläger einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 des Landpachtvertrages hat, von dem Beklagten eine gewisse Fläche herausverlangen zu können bzw. einen Anspruch darauf hat, dass der Beklagte der Flächenverminderung zustimmt. Wörtlich heißt es in den Entscheidungsgründen wie folgt:

„Die Klägerin benötigt auch die Flächen, denn das Gericht ist zur Überzeugung gelangt, dass ein Landwirt stets weitere Flächen benötigt, jedenfalls wenn er seinen Betrieb wie vorliegend erweitern möchte.

Nicht zu folgen vermochte das Gericht der Auffassung der Beklagten, die Klausel in § 14 Abs. 2 Landpachtvertrag gelte nur für die ehemalige Verpächterin. Hier spricht bereits der Wortlaut „Verpächter“. Es ist also gerade nicht geregelt, dass dieses Recht nur dem Erstverpächter zusteht. Für die Ansicht des Klägers spricht auch, dass grundsätzlich ein Grundstückserwerber in alle Rechte eintritt, sodass die jeweiligen Rechte auch dem jeweiligen Nutzer zustehen.“

Die Agrargenossenschaft legte gegen dieses Urteil des Landwirtschaftsgerichtes Gera Berufung ein; sie hatte mit der eingelegten Berufung Erfolg. Das Thüringer Oberlandesgericht führte in der Sache wörtlich wie folgt aus:

„Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur legt Sonderkündigungsklauseln der hier in Rede stehenden Art bei langfristigen Landpachtverträgen dahin aus, dass sie nur für den Fall des Eigenbedarfes des ursprünglichen Verpächters gelten, bei Veräußerung der verpachteten Grundstücke auf den Erwerber aber nicht übergehen. Dem schließt sich der Senat an. Hierfür spricht, dass die Sonderkündigungsbefugnis im Zusammenhang mit der grundsätzlichen Befristung des Pachtverhältnisses auf einen langen Vertragszeitraum steht. Daraus wird der Wille der Vertragsschließenden deutlich, bis zum Ende der Vertragslaufzeit grundsätzlich keine einseitige Loslösung vom Pachtvertrag zu gestatten. Diesen Parteiwillen widerspräche es, wenn das im Vertrag vorgesehene Sonderkündigungsrecht einer Partei sich der Sache nach einem ordentlichen Kündigungsrecht annähern würde. Könnte in solchen Fällen jeder Erwerber der landwirtschaftlichen Flächen unter Berufung auf Eigenbedarf jederzeit das Pachtverhältnis einseitig beenden, verlöre die Vereinbarung einer festen Vertragslaufzeit ungewollt erheblich an Bedeutung. Der Pächter müsste befürchten, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche zu einem nicht vorhersehbaren Zeitpunkt von einem Konkurrenten um das knappe Pachtland angekauft und für die eigene Bewirtschaftung beansprucht werden könnte. Auch die weiteren, für den Vertragspartner regelmäßig erkennbaren Interessen des Pächters am Abschluss langfristiger Verträge (Planungssicherheit, Beleihungsgrundlage bei Banken) sprechen danach jedenfalls dann für eine einschränkende Auslegung entsprechender Sonderkündigungsrechte, wenn auch aus deren Formulierung das Bemühen der Vertragspartner vorgeht, den Kreis derjenigen Personen, zu deren Gunsten das Kündigungsrecht ausgeübt werden kann, genau zu bestimmen und einzugrenzen, etwa durch Bezugnahme auf die Person des Verpächters und dessen engere Familienangehörige. Diese Auslegung, und zwar auch unter dem Gesichtspunkt, dass es sich regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Pächters handelt – vertritt namentlich das Oberlandesgericht Naumburg in ständiger Rechtsprechung (OLG Naumburg, NL-BzAR 2004, 246 folgende2; NL-BzAR 2006, 204 folgende3).

Gegenstand der erstgenannten Entscheidung des Oberlandesgerichtes Naumburg war ein Sonderkündigungsrecht mit folgendem Wortlaut: „Beabsichtigt der Verpächter oder ein Familienmitglied ersten Grades (Ehepartner oder Kinder), seine Flächen selbst zu bewirtschaften, wird eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten vor dem beabsichtigten Pachtende vereinbart.“4

Die vom Oberlandesgericht Naumburg zugelassene Revision hat der Bundesgerichtshof zurückgewiesen und die Auslegung des Berufungsgerichtes revisionsrechtlich nicht beanstandet.5

Die vom Senat zu beurteilende vertragliche Regelung stimmt hinsichtlich der Festlegung des berechtigten Personenkreises nahezu wörtlich mit derjenigen überein, die Gegenstand der Urteile des OLG Naumburg und des Bundesgerichtshofes waren. Der Senat schließt sich aus den dargelegten Erwägungen diesen, auch in der Literatur überwiegend zustimmend kommentierten Entscheidungen an.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes datiert vom 5. 11. 2004; die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Dresden vom 28. 10. 20046, die zum gegenteiligen Ergebnis gelangt, muss daher als überholt angesehen werden.

 

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Quellen:

  1. Entscheidung des Thüringer OLG vom 12. 5. 2011 – Lw U 1019/10 (Vorinstanz Landwirtschaftsgericht Gera – X VLW 23/09).
  2. Kündigungsrecht steht nur dem ursprünglichen Verpächter zu, OLG Naumburg, Urt. v. 8. 1. 2004 – 2 U (Lw) 9/03, NL-BzAR 2004, 246 ff.
  3. Keine Pflicht zur Übertragung der Zahlungsansprüche, OLG Naumburg, Urt. v. 30. 3. 2006 – 2 U 127/05 (Lw), NL-BzAR 2006, 204 ff.
  4. FN 2, a.a.O., S. 246.
  5. Sonderkündigungsrecht für einen Pachtvertrag, BGH, Urt. v. 5. 11. 2004 – LwZR 2/04, NL-BzAR 2005, 292 ff.
  6. Eigenbedarfskündigung von Landpachtverträgen, OLG Dresden, Urt. v. 28. 10. 2004 – U XV 1284/04, NL-BzAR 2005, 247 ff. m.w.N.