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OLG Dresden, Urteil vom 17. 10. 2013 – 10 U 651/13 –
LG Chemnitz (4. 4. 2013 – 4 O 1671/05

Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer Entschädigung für den Verlust des Eigentums an einer Meliorationsanlage gemäß der §§ 13 MeAnlG in Verbindung mit der §§ 951, 812 ff BGB.

Gründe

   I.

 1            Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Chemnitz, durch das er zum Wertersatz für die – nach den Behauptungen der Klägerin – am 1. 1. 1995 in sein Eigentum übergegangene Meliorationsanlage in Höhe von 8.500 € verurteilt worden ist.

 2            Der Vater des Beklagten, M.B., brachte in den 1950iger Jahren unter anderem die Flurstücke … in einer Größe von 17,63 ha in einen Vorgängerbetrieb der jetzigen Klägerin und Rechtsnachfolgerin der – aus dem Zusammenschluss verschiedener landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG) hervorgegangenen … LPG … ein. Ende der 1970er Jahre führte die LPG (P) … in Ausübung des ihr zustehenden umfassenden Bodennutzungsrechts das Investitionsvorhaben „Komplexmelioration xxx: Melioration xxx und xyx“ durch (vgl. die Vorbereitungs- und Ausführungsunterlagen zum Investitionsvorhaben Komplexmelioration xxx vom 15. 7. 1977, Anlage K 2, sowie die Abnahmeprotokolle aus dem Jahre 1979, Anlagen K 5a bis K 5d sowie K 6 bis K 10b), in das auch die vom Vater des Beklagten eingebrachten Grundstücke einbezogen wurden.

 3            Nach Herstellung der deutschen Einheit erhielt der Beklagte die von seinem Vater in die LPG eingebrachten Flurstücke xx, xx und xx zurück und veräußerte diese mit notariellem Kaufvertrag vom 14. 8. 2000 an S., der am 7. 2. 2001 als neuer Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen worden ist.

 4            Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass sie Eigentümerin der im Jahre 1977 errichteten Meliorationsanlage gewesen sei. Gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 10 des Meliorationsanlagengesetzes (MeAnlG) habe sie zum 1. 1. 1995 ihr Eigentum an den Anlagen verloren, so dass der Beklagte deren Wert zu ersetzen habe. Im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs sei die Anlage funktionstüchtig gewesen. Bei der Wertbemessung sei von einer Restnutzungsdauer von 35 Jahren und einem Abschlag von 5 % für Reparaturen / Unterhaltungskosten auszugehen.

 5            Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.623,75 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. 1. 2005 zu bezahlen.

 6            Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

 7            Er hat behauptet, dass die hier streitgegenständlichen Flurstücke über eine vor 1945 errichtete, grundstücksbezogene Entwässerungsanlage verfügt hätten und sein Vater sie 1955 in dräniertem Zustand in die LPG eingebracht habe. Im Zeitpunkt der grundstücksübergreifenden Errichtung einer Meliorationsanlage durch die LPG (P) xxx habe sich die ursprüngliche Drainage noch in einem funktionstüchtigen Zustand befunden. Bei der jetzt eingebauten Anlage handele es sich um eine dem Eigentümer aufgedrängte ungerechtfertigte Bereicherung, für die kein Ausgleich geschuldet sei. Vielmehr müsse sich die Klägerin auf ihr Wegnahmerecht verweisen lassen. Bei der Vermögensauseinandersetzung nach den Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) habe die Klägerin ihre Meliorationsanlagen nicht eigenkapitalerhöhend berücksichtigt.  Wenn die Klägerin nunmehr Ersatz für die Anlage erhalte, stehe ihm, dem Beklagten, ein Nachabfindungsanspruch zu, mit dem er hilfsweise gegen den Wertersatzanspruch der Klägerin aufrechne.

 8            Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, welches der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. N. am 10. 5. 2006 vorgelegt hat. Nach Aussetzung des Verfahrens und seiner Wiederaufnahme im Jahre 2013 hat das Landgericht der Klage mit Urteil vom 4. 4. 2013 überwiegend stattgegeben. Nach Auffassung des Landgerichts hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. N. den Wert der Meliorationsanlage zum Wertermittlungsstichtag am 1. 1. 1995 zutreffend mit 8.500 € bewertet. Dem Anspruch auf Wertersatz könne der Beklagte weder entgegenhalten, dass es sich um eine aufgedrängte Bereicherung handele, noch, dass das Grundstück bereits ursprünglich dräniert in die LPG eingebracht worden sei. Beide Einwände seien nach den Vorschriften des MeAnlG unmaßgeblich. Es habe sich auch nicht bestätigt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin gebaute Anlage nicht funktionstüchtig gewesen sei. Der Beklagte sei daher kraft Gesetzes dazu verpflichtet, Wertersatz zu leisten.

 9            Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10. 4. 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21. 4. 2013 Berufung eingelegt und diese mit dem am 29. 5. 2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

10           Seiner Auffassung nach sind die Bestimmungen des MeAnlG nicht anwendbar, da sich der Neubau der Anlage im Jahre 1997 lediglich als Ersatz einer bereits bestehenden Anlage darstelle. Genauso wie die alte stehe auch die neue Anlage im Eigentum des einbringenden Landwirtes. Auch ein Anspruch nach § 10 MeAnlG in Verbindung mit  §§ 951, 812 ff. BGB komme nicht in Betracht. Denn die Höhe des Anspruches lasse sich nicht mehr aufklären, da der Wert der Altanlage von dem Wert der neuen Meliorationsanlage abzuziehen sei und dieser Wert nicht mehr ermittelt werden könne. Ein Bereicherungsanspruch scheide schon deshalb aus, weil er kein Interesse an der Anlage habe. Schließlich sei der Anspruch der Klägerin verwirkt. Ungeachtet dessen stehe ihm ein Nachabfindungsanspruch gegen die Klägerin zu, mit dem er hilfsweise aufrechne.

11           Der Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 4. 4. 2013 – 4 O 1671/05, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12           Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

13           Sie hegt bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung. Die Berufungsbegründung lasse nämlich eine konkrete Auseinandersetzung mit den Gründen des erstinstanzlichen Urteils vermissen und verweise lediglich auf eine – nicht rechtskräftige – Entscheidung des Landgerichts Frankenthal, welche einen in tatsächlicher Hinsicht anders gelagerten Fall betreffe. Der Einwand des Beklagten, sein (ehemaliges) Grundstück sei bei Einbringung in die LPG bereits mit einer Meliorationsanlage versehen gewesen, sei rechtlich unbeachtlich. Denn der Beklagte habe unterlassen, konkret zu dieser „Vormelioration“ vorzutragen und sie unter Beweis zu stellen. Der jetzt benannte Zeuge S. könne zu der Existenz und Beschaffenheit einer – von ihr bestrittenen – angeblich schon im Jahre 1977 bestehenden, funktionstüchtigen Meliorationsanlage keine Aussagen treffen, da er die Flur­stücke erst viel später in Besitz genommen und bewirtschaftet habe. Auch die übrigen Einwendungen des Beklagten seien nicht durchgreifend. Aufgrund der gesetzlichen Anordnung in den §§ 12, 13 MeAnlG habe der Grundstücks­eigentümer – hier der Beklagte – Wertersatz für das mit Wirkung vom 1. 1. 1995 auf ihn übergegangenen Eigentums an der Meliorationsanlage zu leisten. Dieser Wertersatz sei kein Ausgleich für die Wertsteigerung der (meliorierten) Grundstücks, sondern für den Verlust des Eigentums. Dem Beklagten sei es daher verwehrt, sich auf eine aufgedrängte Bereicherung bzw. auf einen Wegfall der Bereicherung zu berufen. Schließlich sei ihr Anspruch weder verwirkt noch durch (Hilfs-)Aufrechnung mit einem Nachabfindungsanspruch gemäß § 44 LwAnpG erloschen.

14           In dem – nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 4. 10. 2013 hat der Beklagte erstmals behauptet, dass der jetzige Eigentümer der Flurstücke xx, xx und xx der Gemarkung xxx die vor 1945 errichtete, grundstücksbezogene „Tonrohrmelioration nach einigen Ausbesserungen heute noch ausschließlich zu seiner vollen Zufriedenheit“ benutze.

15           Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

 

   II.

16           Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 4. 4. 2013 hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zum Wertersatz in Höhe von 8.500 € nebst Zinsen verurteilt (nachfolgend A.). Der Anspruch ist nicht durch die von dem Beklagten erklärte hilfsweise Aufrechnung mit einem „Nachabfindungsanspruch“ erloschen (nachfolgend B.).

  

   A.

   Anspruch der Klägerin

17           Der Anspruch der Klägerin auf Wertersatz für den Eigentumsverlust an der ihr ursprünglich gehörenden Meliorationsanlage zum 1. 1. 1995 beruht auf § 13 MeAnlG in Verbindung mit den §§ 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 2, 818 Abs. 3 BGB.

18           § 13 MeAnlG beschränkt sich darauf, klarzustellen, dass der Anspruch aus § 951 BGB nicht ausgeschlossen ist (vgl. Prütting/Zimmermann/Heller, GrdstR Ost, München 2003, § 13 MeAnlG Rn. 1, S. 1409).

19           1. Mit dem 1. 1. 1995 ist der in den Flurstücken xx, xx und xx der Gemarkung xxx verlegte und ursprünglich im Eigentum der Klägerin stehende Teil der komplexen, grundstücksübergreifenden Meliorationsanlage in der Gemarkung xxx/xyx aufgrund der gesetzlichen Anordnung in § 12 MeAnlG in das Eigentum des Beklagten übergegangen.

20            a) Erstinstanzlich ist zwischen den Parteien unstreitig gewesen, dass die Klägerin die komplexe Meliorationsanlage „xxx/xyx“ in den Jahre 1977 bis 1979 aufgrund ihres umfassenden Nutzungsrechtes aus § 10 Abs. 1 Buchstabe b), 13 Abs. 2 des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 3. 6. 1959 (LPG-Gesetz 1959, GBl. DDR I Nr. 36, S. 577; vgl. auch § 18 Abs. 2 Buchstabe b des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften vom 2. 7. 1982, LPG-Gesetz 1982, GBl. DDR I Nr. 25, S. 443) errichtet und damit selbständiges, vom Grundeigentum der Genossenschaftsbauern getrenntes Anlageneigentum erworben hat, § 18 ZGB-DDR (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 24. 9. 1998 – 5 U 1/98, RdL 1999, S. 189 /90, Rn. 33 f, zitiert nach Juris; BT-Drucksache 12/7135, S. 1 ff, S. 74 , nachzulesen in NL-BzAR 1999, 34 ff.; Merkblatt „Empfehlungen zur Bewertung von Entwässerungsanlagen im Zusammenhang mit dem MeAnlG“ der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Stand: September 2000, Anlage K 4). Der Anwendungsbereich des MeAnlG ist damit eröffnet (vgl. § 1 Abs. 1 MeAnlG).

21           b) Die – erstmalig in zweiter Instanz – vom Beklagten vertretene Auffassung, er sei mit Errichtung der Meliorationsanlage in den Jahren 1977 bis 1979 Eigentümer der innerhalb seines Grund und Bodens verlegten Anlage geworden, trifft schon nach seinem eigenen Vortrag nicht zu.

22            Es mag zwar sein, dass bloße Ausbesserungs- und Instandsetzungsarbeiten an einer bestehenden Anlage, die nach den Behauptungen des Beklagten bereits vor 1945 errichtet und im Jahre 1977 noch vorhanden gewesen sein soll (vgl. § 94 Abs. 1 S. 1 BGB), nicht zu einem Eigentumserwerb der Rechtsvorgängerin der Klägerin geführt hätten. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten ist jedoch die ehemalige funktionstüchtige Entwässerungsanlage im Laufe der Komplexmelioration „xxx / xyx“ im Jahre 1977 vollständig zerstört und durch eine neue, grundstücksübergreifende (komplexe) Anlage ersetzt worden. Der Neubau steht daher in keinerlei Zusammenhang mit der 1977 noch vorhandenen, grundstücksbezogenen Entwässerungsanlage und führte – da auf der Grundlage des den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften verliehenen umfassenden Nutzungsrechts errichtet – zum Erwerb selbständigen Anlageneigentums der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Soweit der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 4. 10. 2013 erstmals behauptet, die ehemalige Entwässerungsanlage seines Grundstücks sei bei Errichtung der Komplexmeliorationsanlage in den 1970er Jahren nicht zerstört worden und werde – nach Ausbesserungen – noch heute benutzt, ist sein Vortrag nach den § 296a S. 1 ZPO nicht mehr zuzulassen. Gründe für eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 296 a S. 2, 156 ZPO sind weder dargetan noch ersichtlich. Auch aus § 296 a S. 2 ZPO in Verbindung mit den §§ 139 Abs. 5, 283 ZPO ergibt sich nicht, dass der Beklagte noch zulässigerweise einen Schriftsatz hat nachreichen dürfen.

   2.

23           Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten auf der Grundlage von § 951 Abs. 1, 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2, 818 Abs. 3 BGB zu einem Wertersatz für die (teilweise) in sein Eigentum übergegangene Meliorationsanlage in Höhe von 8.500 € verurteilt. Die dagegen vom Beklagten erhobenen Einwände greifen nicht durch.

24           a) Aufgrund des in § 12 MeAnlG gesetzlich angeordneten Übergangs des Anlageneigentums am 1. 1. 1995 auf den Beklagten als den damaligen Eigentümer der Flurstücke xx, xx und xx der Gemarkung xxx ist er nach § 13 MeAnlG i. V. m. §§ 951 Abs. 1, 812 ff. BGB zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet. Der Umstand, dass er die betroffenen Flurstücke am 14. 8. 2000 an Herrn S. veräußert hat, führt nicht dazu, dass der Anspruch nunmehr gegen den Erwerber zu richten wäre. Vielmehr besteht die Verpflichtung des ursprünglichen Eigentümers zur Zahlung einer Entschädigung fort, § 818 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 72. Aufl. 2013, § 951 BGB Rn. 13, S. 1533).

25           b) Maßgeblich für den Umfang des Wertersatzanspruchs ist nach § 13 S. 2 MeAnlG der (Rest-) Wert der Anlage im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs am 1. 1. 1995 (vgl. insoweit auch die Gesetzesbegründung BT-Drucksache 12/7135, S. 1 ff, 80). Diesen Restwert hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. N. in seinem Gutachten vom 10. 5.2006 auf der Grundlage einer ermittelten Restnutzungsdauer der Anlage von 30 Jahren (vgl. S. 14 des Gutachtens) mit rund 8.500 € veranschlagt. Die Ausführungen des Sachverständigen sind insgesamt überzeugend und werden mit der Berufung auch nicht mehr dezidiert angegriffen. Sie beruhen auf den eigenständigen Feststellungen, welche der Sachverständige anlässlich des Ortstermins am 4. 4. 2006 getroffen hat. Danach ist die komplexe Meliorationsanlage, welche auch die (ehemaligen) Grundstücke des Beklagten umfasst, voll funktionstüchtig und befindet sich in einem guten Erhaltungszustand. Auf der Grundlage dieser Bestandsaufnahme und unter Heranziehung der einschlägigen Bewertungsmethoden hat der Sachverständige sodann den Wert des in den (ehemaligen) Flurstücken des Beklagten verlegten Teils der Meliorationsanlage ermittelt. Die hierfür maßgeblichen Gedankenschritte und Faktoren hat er im Einzelnen verständlich dargestellt und sein Ergebnis auf dieser Basis einleuchtend begründet. Den Nachteilen, welche sich für den Beklagten daraus ergeben, dass die in seinem Grundstück vorhandene Anlage lediglich ein Teil der – insgesamt 183,5 ha (Nachbauabschnitt 2) umfassenden – Komplexmeliorationanlage ist und diese daher nur zusammen mit den übrigen Grundstücks-
eigentümern betrieben werden kann, hat der Sachverständige – in Übereinstimmung mit der Auffassung des Beklagten (vgl. den Schriftsatz vom 29. 5. 2013, S. 15) – durch einen Wertabschlag in Höhe von 30 % Rechnung getragen.

26           c)Der Eintritt einer Bereicherung im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es Ende der 1970er Jahre – angesichts einer funktionstüchtigen, grundstückseigenen Entwässerungsanlage – nicht der Errichtung einer komplexen Meliorationsanlage bedurft hätte.

27           Für die Beurteilung der Frage, ob eine Bereicherung eingetreten ist, kommt es nämlich auf den Zeitpunkt der in § 12 MeAnlG angeordneten Rechtsänderung, hier also auf den  1. 1. 1995, an (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O., § 951 BGB Rn 16, S. 1533). In diesem Zeitpunkt verfügte das Grundstück des Beklagten aber (nach seinem bisherigen Vortrag) über keine funktionstüchtige Entwässerungsanlage mehr, so dass mit dem Übergang des Eigentums an der von der ehemaligen LPG errichteten, funktionstüchtigen (vgl. das Merkblatt „Empfehlungen zur Bewertung von Entwässerungs- anlagen im Zusammenhang mit dem MeAnlG“ der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Stand: September 2000, S. 4 unter 2., Anlage K 4) Anlage eine Bereicherung des Beklagten einhergeht.

28            Der Senat sieht aufgrund der gesetzlichen Regelung keine Möglichkeit, den Restwert der im Jahre 1977 zerstörten Entwässerungsanlage der Flurstücke xx, xx und xx der Gemarkung xxx von dem Wertersatz gemäß §§ 951, 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB abzuziehen (entgegen Landgericht Frankenthal, Urt. v. 30. 4. 2013 – 3 O 403/05, Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 29. 5. 2013, S. 4). Eine derartige Wertsaldierung verbietet sich schon vor dem Hintergrund des gesetzlich festgelegten Stichtages für den Eigentumsübergang, zu dem die Altanlage nicht mehr vorhanden war (vgl. insoweit auch: Amtsgericht Döbeln – Zweigstelle Hainichen, Urt. v. 27. 8. 2013 – 4 C 9/13, S. 8 in Anlage zu dem Protokoll der mündlichen Verhandlung am 12. 9. 2013). Zudem würde die Ermittlung des fiktiven Wertes der – in den 1970er Jahren zerstörten Altanlage – zum Stichtag am 1. Januar 1995 zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen, da weder der Errichtungszeitpunkt der Altanlage noch der Zustand im Zeitpunkt ihrer Zerstörung im Regelfall bekannt sein wird. Diese Schwierigkeiten – wie vom Landgericht Frankenthal befürwortet – im Wege einer Beweislastumkehr einseitig dem (früheren) Eigentümer der Anlage, hier der der Klägerin, aufzuerlegen, erscheint dem Senat nicht angängig. Denn angesichts der politisch gewünschten und geförderten Errichtung von komplexen Meliorationsanlagen in der ehemaligen DDR (vgl. die Verordnung vom 21. 6. 1962 über die Organisation des Meliorationswesens, GBl. der DDR II, S. 397 ff; Beschluss über die Anordnung über die Vorbereitung und Durchführung von Meliorationen vom 29. 6. 1967, GBl. II Nr. 62, S. 411 ff; Anordnung über die Vorbereitung und Durchführung von Meliorationen – Meliorationsordnung – vom 29. 6. 1967, GBl. II Nr. 62, S. 412 ff; Ellenor Oehler, Staatsrechtliche Fragen der Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaftsbetrieben und Organen des Meliorationswesens, Staat und Recht 1965, S. 1829 ff., 1834 ff.) und des umfassenden Nutzungsrechtes der LPGen an dem ihnen überlassenen Boden bestand für die Rechtsvorgängerin der Klägerin keine Veranlassung und Notwendigkeit, den Altbestand von Meliorationsanlagen zu dokumentieren. Genausowenig wie der Beklagte ist sie daher in der Lage, Auskunft über den Zustand der ursprünglich im Grundstück des Beklagten vorhandenen Entwässerungsanlage im Zeitpunkt der Errichtung der Komplexmeliorationsanlage zu geben.

29           d) Der Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin auch nicht entgegenhalten, er habe sich zu DDR-Zeiten einer baulichen Veränderung seiner in die LPG eingebrachten Grundstücke nicht erwehren können.

30           Denn der Gesetzgeber hat die Regelung des § 13 MelAnlG in Kenntnis der Umstände der „Zwangskollektivierung“ und des umfassenden Nutzungsrechts der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften an den ihnen (erzwungenermaßen) zur Bewirtschaftung  überlassenen Grundstücken in der ehemaligen DDR geschaffen. Würde dagegen allein der Umstand, dass eine LPG ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers eine Meliorationsanlage verlegt hat, zu einem Ausschluss des Anspruches führen, wäre die gesetzliche Reglung gegenstandslos. Eine solche Auffassung stünde überdies im Widerspruch zu den – originär von § 951 BGB geregelten – Fällen einer Verbindung oder Vermischung. Auch hier erfolgt eine Rechtsänderung ohne den Willen des Bereicherungsschuldners, der gleichwohl grundsätzlich zu einem Wertersatz für den eingetretenen Rechtserwerb verpflichtet ist.

31           e) Der Beklagte kann dem Bereicherungsanspruch der Klägerin auch nicht halten, dass die – durch den Eigentumserwerb der Anlage eingetretene – Bereicherung aufgedrängt sei.

32           In dem entscheidenden Zeitpunkt des Eigen­tumserwerbs, welcher kraft gesetzlicher Anordnung am 1. 1. 1995 stattgefunden hat, war die Meliorationsanlage auch aus subjektiver Sicht des Beklagten für die Bewirtschaftung seines Grundstückes von Nutzen (vgl. Staudinger-Gursky, §§ 925?–?984 BGB [Eigentum II], Neubearbeitung 2011, § 951 BGB Rn 50, S. 589; Palandt-Bassenge, a.a.O., § 951 BGB Rn 18, S.?1533). Die ursprüngliche, vor 1945 errichtete Entwässerungsanlage war nämlich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden, so dass es für die Entwässerung des Grundstückes des Beklagten der neuen, von der Rechtsvorgängerin der Klägerin errichteten Anlage bedurfte. Es kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin die komplexe, grundstücksübergreifende Meliorationsanlage „xxx / xyx“ zu DDR-Zeiten in rechtmäßiger Weise erbaut hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt: Staudinger-Gursky, a.a.O, § 951 BGB Rn 53 ff, S. 590 ff). Wie der Beklagte selbst nicht verkennt (vgl. den Schriftsatz vom 29.??5.?2013, S. 12), stellte die flächendeckende Melioration landwirtschaftlicher Nutzflächen eine von der Staatsleitung geförderte Maßnahme zur „Steigerung der Bodenfruchtbarkeit und der Hektarerträge auf landwirtschaftlichen Nutzflächen“ (vgl. §§?1, 2 Abs. 1 der Meliorationsordnung vom 29. 6. 1967, GBl. DDR II Nr. 62, S. 412?ff.) dar, zu deren Zweck spezialisierte Meliorationsgenossenschaften und -verbände eingerichtet worden sind. Der Einwand der aufgedrängten Bereicherung kann unter diesen Umständen von dem Beklagten nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Dieser Einwand ist nach Auffassung des Senats zwar nicht grundsätzlich durch die Bestimmungen des MeAnlG ausgeschlossen. Er wird aber nur in dem – hier nicht vorliegenden – Fall zum Zuge kommen können, dass am 1. 1. 1995 neben der in das Eigentum des Grund­stückseigentümers übergegangenen Meliorationsanlage (noch) eine funktionstüchtige, dem Grundstückseigentümer gehörende Entwässerungsanlage bestanden und er daher an einem Eigentumserwerb gemäß § 12 MelAnlG kein Interesse gehabt hat und dieser für ihn ohne Nutzen war (vgl. zu diesem Aspekt: Palandt-Bassenge, a.a.O., § 951 BGB Rn 18, S. 1533).

33           f) Der Beklagte kann die Klägerin auch nicht auf ein Recht zur Wegnahme der Meliorationsanlage verweisen.

34           Ein Wegnahmerecht sieht das MeAnlG lediglich in Bezug auf „Anlagen zur Bewässerung“ vor. Die Vorschriften der §§ 8, 10 Abs. 1 S. 4 MeAnlG finden sich nämlich im Abschnitt 2 des MeAnlG über „Anlagen zur Bewässerung“, wohingegen in Abschnitt 3 über die „Anlagen zur Entwässerung“ eine entsprechende Regelung fehlt (vgl. zur unterschiedlichen Behandlung von Be- und Entwässerungsanlagen zudem: BT-Drs. 12/7135, S. 79).

35           Der Beklagte kann der Klägerin zur Abwehr des Anspruches auf Ersatz der – von ihm als aufgedrängt empfundenen – Bereicherung auch nicht einen Anspruch auf gegenständliche Beseitigung des erlangten Vorteils in Form einer Meliorationsanlage entgegenhalten (vgl. Standinger-Gursky, a.a.O., § 951 BGB Rn 47, S. 587).

36           Angesichts der klaren gesetzlichen Regelung erscheint bereits zweifelhaft, ob ein derartiges Wegnahme analog § 1001 S. 2 BGB hier überhaupt angenommen werden kann (ablehnend: Staudinger-Gursky, a.a.O., § 951 BGB Rn 48, S. 588; vgl. insoweit auch das Merkblatt „Empfehlungen zur Bewertung von Entwässerungsanlagen im Zusammenhang mit dem MeAnlG“ der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft, Stand: September 2000, S. 4: „Eine Wiederherstellung des alten Zustandes kann nicht verlangt werden“, Anlage K 4). Ungeachtet dessen würde die Annahme eines derartigen Wegnahmerechts gerade bei den hier in Frage stehenden „komplexen“ Meliorationsanlagen zu untragbaren Ergebnissen führen. Nicht nur hat die Anlage für die Klägerin nach Verlust der meliorierten Landwirtschaftsflächen keinen Nutzen mehr, sondern würde die Wegnahme von Teilen der Anlage zwangsläufig zu einer Zerstörung der Gesamtanlage führen, so dass selbst derjenige, der die von der Rechtsvorgängerin der Klägerin erbaute Meliorationsanlage teilweise übernehmen wollte, von dieser nicht mehr profitieren könnte und eine eigene Anlage schaffen müsste.

37           g) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.

38           Zwar hat die Klägerin ihren gesetzlichen Anspruch nach § 13 MelAnlG auf Wertersatz für die in das Eigentum des Beklagten übergegangene Meliorationsanlage erst Ende 2004 (Mahnantrag vom 28. 12. 2004) geltend gemacht. In diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte sein Grundstück bereits seit längerer Zeit (2000) veräußert, so dass er die mit dem Eigentumsverlust der Klägerin einhergehende Belastung nicht auf seinen Käufer hat abwälzen können. Allerdings hat der Beklagte nicht behauptet, dass die Klägerin von dem Verkauf der Flurstücke xx, xx und xx der Gemarkung xxx Kenntnis gehabt hätte und er selbst sich aufgrund des Verhaltens der Klägerin darauf einrichten durfte, diese werde ihren Anspruch auf Wertersatz nicht geltend machen (vgl. zu den Voraussetzungen der Verwirkung: Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB Rn 87 ff, S. 268).

 

   B.

   Gegenansprüche des Beklagten

39           Der Wertersatzanspruch der Klägerin ist nicht durch die – hilfsweise erklärte (vgl. den Schriftsatz vom 6. 4. 2006, S. 2) – Aufrechnung mit einem Abfindungsanspruch aus § 44 Abs. 1 LwAnpG in Höhe von 3.957,40 € (7.740,00 DM) erloschen, §§ 387, 389 BGB.

   1.

40           Die Aufrechnung dürfte – worauf die Klägerin bereits hingewiesen hat – schon deshalb unzulässig sein, weil es sich bei dem Abfindungsanspruch nach § 44 LwAnpG um eine rechtswegfremde Forderung handelt, für die eine ausschließliche Zuständigkeit der Landwirtschaftsgerichte besteht (vgl. BAG, Beschl. v. 28. 11.?2007 – 5 AZB 44/07, NJW 2008, S. 1020/1, Rz. 7, zitiert nach Juris; BGH, Urt. v. 28. 6. 2002 -V ZR 74/01, NJW-RR 2002, S. 1651; BGH, Urt. v. 5. 2. 1996 – II ZR 293/93, VIZ 1996, S. 347 ff.; OLG Brandenburg, Beschl. v. 25. 3. 2003 – 1 AR 8 /03, OLG-NL 2003, 163; OLG Koblenz, Beschl. v. 19. 10. 2005 – 3 W 648/05, OLGR Koblenz 2006, S. 255/56; Zöller-Lückemann, ZPO, 30. Aufl. 2012, Vor §§ 17 - 17b GVG Rn. 11, S. 2943; Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 388 BGB Rn. 5, S. 602).

   2.

41           Aber auch der Sache nach besteht kein aufrechenbarer Gegenanspruch des Beklagten.

42           Zunächst einmal ist der Beklagte nicht vor der Umwandlung aus der LPG ausgeschieden, sondern Mitglied der Klägerin geworden; ein Anspruch nach § 44 LwAnpG scheidet mithin aus. Als Mitglied der Klägerin hat der Beklagte sodann einen Anspruch auf bare Zuzahlung gerichtlich geltend gemacht, welcher abschließend mit Beschluss des BGH vom 29. 11. 1996 (vgl. BGH, Beschl. v. 29. 11. 1996, Anlage 2 zum Schriftsatz des Beklagten vom 6. 4. 2006) in Höhe von 61.139,30 DM zuerkannt worden ist. In die Berechnung der baren Zuzahlung sind auch 18 Arbeitsjahre eingegangen. Über den Anspruch auf bare Zuzahlung nach § 34 Abs. 1 LAG/ 28 Abs. 2 LwAnpG des Beklagten liegt somit eine rechtskräftige Entscheidung vor, welche eine Nachforderung des Beklagten ausschließt.

   3.

43           Schließlich greift auch die Argumentation des Beklagten nicht durch, die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte die Meliorationsanlagen eigenkapitalerhöhend in die von ihr aufgestellten, für die Abfindung ihrer Mitglieder maßgeblichen Bilanz einstellen müssen (vgl. § 49 Abs. 1 LAG bzw. § 44 Abs. 6 LwAnpG).

44           Das Meliorationsanlagengesetz ist als Art. 4 des Gesetzes zur Änderung schuldrechtlicher Bestimmungen im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsänderungsgesetz – SchuldRÄndG)  vom 21. 9. 1994 erst am 1. 1. 1995 in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Schicksal der von den ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften errichteten Meliorationsanlagen noch offen, so dass es dem handelsrechtlichen Vorsichtsprinzip gemäß der §§ 6 Abs. 1 Nr. 3 DMBilG, 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB entsprochen haben dürfte, diese Anlagen unter dem Gesichtspunkt des „wahren Wertes“ (grundlegend: BGH, Beschl. v. 8. 5. 1998 – BLw 18/97, AgrarR 1998, S. 249 ff; BGHZ 139, S. 394 ff, 400) in der Bilanz ohne Wert anzusetzen (vgl. insoweit die Beschlussvorlage der Agrargenossenschaft xxx e.G. für die Generalversammlung vom 5. 7. 1991, Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 6. 4. 2006, sowie das „Gutachten zum Unternehmenswert der Agrargenossenschaft xxx e.G. auf den 31. Dezember 1990 als Grundlage zur Bestimmung des abfindungsrelevanten Eigenkapitals“ vom 18. 5. 1999, Anlagen 6 zum Schriftsatz des Beklagten vom 29. 5. 2013).

 

   III.

45          Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

46           Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint (§ 543 Abs. 2 ZPO). Wie die Verfahrensbeteiligten übereinstimmend erklärt haben, sind insgesamt etwa 60 Verfahren allein im Freistaat Sachsen anhängig, in denen sich die gleichen Rechtsfragen stellen (vgl. den Schriftsatz des Beklagten vom 8. 7. 2013, S. 2).

47        Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf der Grundlage der §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 S. 2 GKG, § 3 ZPO festgesetzt.