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EuGH, Erste Kammer, Urteil vom 16. 12. 2010 – C?239/09 – Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. 6. 2009 in dem Verfahren
Seydaland Vereinigte Agrar­betriebe GmbH & Co. KG
gegenBVVG Bodenverwertungs
- und -verwaltungs GmbH

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 87 EG.

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe GmbH & Co. KG (im Folgenden: Seydaland) und der BVVG Bodenverwertungs? und ?verwaltungs GmbH (im Folgenden: BVVG) hinsichtlich der Methoden, die zur Berechnung des Kaufpreises landwirtschaftlicher Flächen angewandt werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Vorschriften über staatliche Beihilfen

3 Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 1 der Mitteilung der Kommission vom 10. 7. 1997 betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (ABl. C 209, S. 3, im Folgenden: Mitteilung) lautet:

   „Der Verkauf von Bauten oder Grund­stücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich einen Verkauf zum Marktwert dar und enthält damit keine staatliche Beihilfe. …“

4 Nach Abschnitt II Ziff. 2 Buchst. a Abs. 1 der Mitteilung lässt sich, „[w]enn die öffentliche Hand nicht beabsichtigt, das [in Abschnitt II Ziff. 1] dargelegte Verfahren anzuwenden“, das Vorhandensein von Elementen einer staatlichen Beihilfe nur dadurch ausschließen, dass „vor den Verkaufsverhandlungen eine … Bewertung durch (einen) unabhängige(n) Sachverständige(n) für Wertermittlung erfolg[t], um auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards den Marktwert zu ermitteln“.

5 In Abschnitt II Ziff. 2 Buchst. a Abs. 5 der Mitteilung heißt es: 
   „Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags über Bauten oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, wobei das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht …“

6 Mit ihrer Entscheidung 1999/268/EG vom 20. 1. 1999 über den Flächenerwerb gemäß Ausgleichsleistungsgesetz (ABl. L 107, S. 21, im Folgenden: Entscheidung vom 20. 1. 1999) erklärte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die durch ein Programm der Bundesrepublik Deutschland eingeführte Beihilferegelung zur Reprivatisierung von Flächen im Gebiet der neuen Länder für mit dem Gemeinsamen Markt teilweise unvereinbar.

7 Art. 2 Unterabs. 2 dieser Entscheidung lautete:
   „Die Beihilfen, … deren Intensität die Höchstgrenze von 35 % für landwirtschaftliche Flächen in nicht benachteiligten Gebieten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 950/97 [des Rates vom 20. 5. 1997 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur, ABl. L 142, S. 1] überschreiten, sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.“

8 Nach Prüfung der Änderungen, die die Bundesrepublik Deutschland aufgrund der Entscheidung vom 20. 1. 1999 an dem Programm vorgenommen hatte, erließ die Kommission die der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 19. 1. 2000 mitgeteilte Entscheidung vom 22. 12. 1999 zur Genehmigung staatlicher Beihilfen gemäß den Artikeln 87 und 88 (ex Artikel 92 und 93) des EG-Vertrags (ABl. 2000, C 46, S. 2, im Folgenden: Entscheidung vom 22. 12. 1999), die dieses Programm in geänderter Fassung betraf.

9 In dieser Entscheidung wurden insbesondere keine Einwände gegen die Änderung der fraglichen Regelung hinsichtlich des Kriteriums erhoben, das für die Berechnung des Kaufpreises landwirtschaftlicher Flächen angewandt wurde. Nach diesem Kriterium mussten sich die deutschen Behörden nunmehr auf den Verkehrswert der zu veräußernden Grundstücke mit einem Abschlag von 35 % stützen.

   Die besonderen Regeln über Beihilfen im Bereich der Agrarpolitik

10 Die Verordnung Nr. 950/97 sah in ihrem Art. 7 Abs. 2 vor: 
   „Der Gesamtwert der Beihilfe, ausgedrückt als Prozentsatz des Investitionsvolumens, ist wie folgt begrenzt:
   … 
   b) in den [nicht benachteiligten] Gebieten 
   – 35 % für Investitionen in Immobilien, 
   …“

11 Art. 12 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmte: 
   „(Allgemein zugelassene Beihilfen) Die Mitgliedstaaten können Beihilfen für folgende Investitionen gewähren: 
   a) Ankauf von Land;
   …“

12 Später wurde diese Verordnung aufgehoben und durch die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. 5 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) und zur Änderung bzw. Aufhebung bestimmter Verordnungen (ABl. L 160, S. 80), die seit dem 3. 7. 1999 in Kraft ist, ersetzt. Art. 7 Abs. 2 dieser Verordnung lautet: 
   „Der Gesamtwert der Beihilfe, ausgedrückt als Prozentsatz des förderungsfähigen Investitionsvolumens, ist auf maximal 40 % … begrenzt. …“

Nationales Recht

13 Zur Anpassung der Vorschriften über land- und forstwirtschaftliches Grundeigentum in den neuen Ländern an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland erließ diese das Ausgleichsleistungsgesetz vom 27. 9. 1994 (BGBl. 1994 I S. 2624, im Folgenden: AusglLeistG). Dieses Gesetz enthielt das Flächenerwerbsprogramm, das später durch die Flächenerwerbsverordnung vom 20. 12. 1995 (BGBl. 1995 I S. 2072, im Folgenden: FlErwV) ausgeführt wurde.

14 Um der Entscheidung vom 20. 1. 1999 nachzukommen, nahm die Bundesrepublik Deutschland in der Folgezeit sowohl im AusglLeistG als auch in der FlErwV einige Änderungen vor, auf die sich die Entscheidung vom 22. 12. 1999 bezieht.

15 So wurde im AusglLeistG der Wertansatz der landwirtschaftlichen Flächen geändert und muss nunmehr auf der Grundlage des Verkehrswerts mit einem Abschlag von 35 % berechnet werden und ist nicht, wie ursprünglich vorgesehen war, auf das Dreifache des Einheitswerts von 1935 festzusetzen.

16 § 5 Abs. 1 FlErwV führt ein Verfahren zur Berechnung dieses Wertansatzes ein, das nicht auf dem Verkehrswert der landwirtschaftlichen Flächen, sondern auf Gutachten örtlicher Sachverständiger über den Grundstückswert beruht. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut: 
   „Der Verkehrswert für landwirtschaftliche Flächen nach § 3 Abs. 7 … [AusglLeistG] wird ermittelt nach den Vorgaben der Wert­ermittlungsverordnung vom 6. 12. 1988 … Soweit für Acker- und Grünland regionale Wertansätze vorliegen, soll der Wert hiernach bestimmt werden. Die regionalen Wertansätze werden vom Bundesminister der Finanzen im Bundesanzeiger veröffentlicht. Der Kaufbewerber oder die Privatisierungsstelle können eine davon abweichende Bestimmung des Verkehrswertes durch ein Verkehrswertgutachten des nach § 192 des Baugesetzbuchs eingerichteten und örtlich zuständigen Gutachterausschusses verlangen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die regionalen Wertansätze als Ermittlungsgrundlage ungeeignet sind.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

17 Seydaland ist eine im Agrarindustriesektor tätige Gesellschaft. BVVG ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, die mit der Privatisierung land- und forstwirtschaftlicher Flächen betraut ist.

18 Nach der Vorlageentscheidung verkaufte BVVG mit Vertrag vom 18. 12. 2007 zur landwirtschaftlichen Nutzung geeignete Flächen an Seydaland. Der Kaufpreis betrug insgesamt 245.907,91 €, wovon 210.810,18 € auf landwirtschaftliche Flächen entfielen.

19 Da Seydaland den gezahlten Preis für zu hoch hielt, verlangte sie die Rückerstattung eines Teils des Kaufpreises für diese Flächen und machte geltend, dass der auf der Grundlage der regionalen Wertansätze berechnete Kaufpreis nur 146.850,24 € betrage.

20 Da BVVG dieser Forderung nicht nachkam, erhob Seydaland beim Landgericht Berlin Klage auf Rückzahlung in entsprechender Höhe. Zur Begründung dieser Klage macht Seydaland geltend, dass dem Käufer nach § 2 Ziff. 5 des Vertrags vom 18. 12. 2007 ausdrücklich vorbehalten sei, den Kaufpreis und seine Bildung einer Prüfung zu unterziehen und einen Anspruch auf Anpassung dieses Preises gerichtlich geltend zu machen.

21 Nach Auffassung von Seydaland hätte BVVG den Kaufpreis für die fraglichen Flächen auf der Grundlage der regionalen Wertansätze bilden oder den in § 5 Abs. 1 FlErwV genannten Gutachterausschuss anrufen müssen. Seydaland meint ferner, dieser Kaufpreis sei jedenfalls nicht auf der Grundlage des aktuellen Marktgeschehens zu ermitteln, wie es BVVG getan habe.

22 BVVG macht dagegen geltend, dass die regionalen Wertansätze bei der Bildung des Kaufpreises für die fraglichen Flächen nicht zu berücksichtigen gewesen seien, weil diese Ansätze in der Regel nicht das aktuelle Marktgeschehen, sondern vielmehr dessen ein bis zwei Jahre zurückliegenden Stand widerspiegelten. Einen Preis auf der Grundlage dieser Ansätze festzusetzen, liefe daher auf die Gewährung einer gegen das Unionsrecht verstoßenden Beihilfe hinaus.

23 Hierzu erläutert BVVG, dass das Bundesministerium für Finanzen diese Abweichung erkannt und ihr am 10. 7. 2007 die Weisung erteilt habe, die im Bundesanzeiger veröffentlichten regionalen Wertansätze einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen, da diese Ansätze der Berechnung des Verkehrswerts landwirtschaftlicher Flächen nicht mehr zugrunde gelegt werden dürften, wenn sie um mehr als 20 % vom Kaufpreis vergleichbarer Grundstücke abwichen. Nach der Berechnung der Beklagten des Ausgangsverfahrens war dies im vorliegenden Fall gegeben.

24 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Berlin, nach dessen Ansicht die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung des Unionsrechts abhängt, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: 
   Verstößt § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 der in Ausführung des § 4 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG erlassenen FlErwV gegen Art. 87 EG?

Zur Vorlagefrage

25 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob § 5 Abs. 1 FlErwV mit Art. 87 EG vereinbar ist.

26 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Verfahren nach Art. 267 AEUV auf einer klaren Trennung der Aufgaben zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, der nur befugt ist, sich zur Auslegung oder zur Gültigkeit von Rechtsakten der Union im Sinne dieses Artikels zu äußern, jedoch nicht über die Auslegung nationaler Rechtsvorschriften befinden kann.

27 Um dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben, hat der Gerichtshof jedoch die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren.

28 Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist die vorgelegte Frage so zu verstehen, dass das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 87 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für die Ermittlung des Wertes land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, die von der öffentlichen Hand im Rahmen eines Privatisierungsprogramms veräußert werden, Berechnungsmethoden wie die in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 FlErwV festgelegten vorsieht.

29 Um dem nationalen Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist zudem, wie die deutsche Regierung angeregt hat, davon auszugehen, dass sich die Frage auf § 5 Abs. 1 FlErwV insgesamt bezieht, d. h., dass auch Satz 1 und 4 dieser Bestimmung zu berücksichtigen sind.

30 Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Beihilfe nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht nur positive Leistungen wie Subventionen, Darlehen oder Beteiligungen am Kapital von Unternehmen erfasst, sondern auch Maßnahmen, die in verschiedener Form die Lasten verringern, die ein Unternehmen sonst zu tragen hätte, und die somit, ohne Subventionen im strengen Sinne des Wortes darzustellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen.

31 Grundsätzlich kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verkauf öffentlichen Grundeigentums zu einem geringeren Preis als dem Marktpreis eine staatliche Beihilfe darstellen kann.

32 Es ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass im Zusammenhang der gemeinsamen Agrarpolitik nicht jeder Verkauf öffentlichen Grundeigentums zu einem geringeren Preis als dem Marktpreis zwangsläufig als mit dem EG-Vertrag unvereinbar anzusehen ist. Denn im Rahmen des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik verfügt, hatte er zunächst durch die – in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbare – Verordnung Nr. 950/97 und sodann durch die Verordnung Nr. 1257/1999, mit der jene aufgehoben wurde, neue spezifische Regeln für die Gewährung von Beihilfen auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere für die Gewährung von Beihilfen für Investitionen in landwirtschaftliche Betriebe, vorgesehen.

33 So war nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 950/97 der Gesamtwert der Beihilfe, ausgedrückt als Prozentsatz des Investitionsvolumens, für Investitionen in Immobilien auf 35 % begrenzt; diese Grenze wurde im Rahmen der Verordnung Nr. 1257/1999 auf 40 % heraufgesetzt.

34 Zur Veräußerung eines Grundstücks oder eines Gebäudes durch die öffentliche Hand an ein Unternehmen oder an einen Einzelnen, der eine wirtschaftliche Tätigkeit wie die Land- oder Forstwirtschaft ausübt, hat der Gerichtshof zudem entschieden, dass eine solche Veräußerung Elemente einer staatlichen Beihilfe umfassen kann, insbesondere wenn sie nicht zum Marktwert erfolgt, d. h. zu dem Preis, den ein unter Marktbedingungen handelnder privater Investor hätte festsetzen können.

35 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass, wenn das nationale Recht Regeln über die Berechnung des Marktwerts der Flächen bei ihrer Veräußerung durch die öffentliche Hand enthält, die Anwendung dieser Regeln im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 87 EG in allen Fällen zu einem möglichst nahe beim Marktwert liegenden Preis führen muss. Da dieser Marktwert mit Ausnahme von Veräußerungen an den Meistbietenden theoretisch ist, ist notwendigerweise eine Toleranzmarge zuzulassen, innerhalb deren der erzielte Preis vom theoretischen Preis abweichen kann, wie dies die Kommission zutreffend in Abschnitt II Ziff. 2 Buchst. b ihrer Mitteilung ausführt.

36 Zu der im Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung ist zunächst festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen von Seydaland und der deutschen Regierung die Entscheidung vom 22. 12. 1999 diese Bestimmung nicht für mit Art. 87 EG vereinbar erklärt hat. Wie Seydaland ausführt, ist dieser Entscheidung nämlich zu entnehmen, dass die Kommission sich auf die fragliche Bestimmung nur bezogen hat, um die Änderungen der FlErwV im Verhältnis zu dieser Beihilferegelung zu beschreiben, wie sie in der Entscheidung vom 20. 1. 1999 geprüft worden war.

37 Im Übrigen wurde § 5 Abs. 1 FlErwV in der Entscheidung vom 22. 12. 1999 keiner materiellen Beurteilung unterzogen, die Kommission hatte sich vielmehr darauf beschränkt, die Intensität der mit dem deutschen Privatisierungsprogramm gewährten Beihilfen und die Aspekte zu analysieren, die sie in der Entscheidung vom 20. 1. 1999 für diskriminierend befunden hatte.

38 Sodann ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht der Ansicht ist, nur der Verkauf an den Meistbietenden und die Festsetzung des Preises durch einen Sachverständigen seien zur Ermittlung des Marktwerts eines Grundstücks geeignet. Daher meint es, dass die in § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4 FlErwV vorgesehenen Methoden es nicht erlaubten, diesen Wert richtig zu ermitteln.

39 Insoweit ist klarzustellen, dass zwar feststeht, dass die Methoden des Verkaufs an den Meistbietenden und des Sachverständigengutachtens Preise ergeben können, die den tatsächlichen Marktwerten entsprechen, wie die Kommission in Abschnitt II Ziff. 1 und 2 Buchst. a der Mitteilung ausführt; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass dieses Ergebnis auch mit anderen Methoden erreicht werden kann.

40 § 5 Abs. 1 FlErwV betrifft gerade einige dieser Methoden.

41 Erstens sieht er eine Berechnungsmethode vor, die darin besteht, den Wert der landwirtschaftlichen Flächen im Verhältnis zu regionalen Wertansätzen zu ermitteln. Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass diese Methode eine nur ungenaue Festsetzung des Marktwerts der zu veräußernden Flächen zulasse, weil sie insbesondere nicht den erheblichen Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Flächen in Ostdeutschland seit 2007 wiedergebe.

42 Hierzu räumt die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ein, dass diese Entwicklung der Marktpreise sich mit einer gewissen Verzögerung in den Bodenrichtwerten im Rahmen dieses Bewertungsverfahrens niederschlage. Zudem ist zu berücksichtigen, wie BVVG und die deutsche Regierung ausführen, dass diese Werte im Allgemeinen nur alle zwei Jahre aktualisiert werden.

43 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die auf regionalen Wertansätzen basierende Methode, wenn sie nicht mit einem Aktualisierungsmechanismus verbunden sein sollte, der – insbesondere in Zeiten eines starken Preisanstiegs – eine möglichst genaue Annäherung des Marktwerts an den Kaufpreis der Flächen erlaubt, nicht geeignet wäre, die realen Marktpreise widerzuspiegeln. Diese Beurteilung erfordert eine Auslegung des nationalen Rechts und ist demnach Sache des vorlegenden Gerichts.

44 Im Übrigen ist das Vorbringen von Seyda­land unerheblich, die in der im Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung vorgesehene, auf regionalen Wertansätzen basierende Methode führe zu einem Preis zwischen dem Marktpreis und dem Preis nach einem Abschlag von 35 %, der der durch die nationale Regelung gemäß der Verordnung Nr. 950/97 festgelegten Beihilfeintensität entspreche.

45 Dieses Vorbringen verkennt nämlich, dass die Berechnung des Marktwerts eines Grundstücks oder Gebäudes die notwendige Vorbedingung dafür darstellt, dass auf diesen Wert der Index der Beihilfeintensität nach den in den Randnrn. 32 und 33 des vorliegenden Urteils in Erinnerung gerufenen spezifischen Unionsbestimmungen angewandt werden kann.

46 Zweitens sieht § 5 Abs. 1 FlErwV eine weitere Methode vor, wonach der Kaufbewerber oder die Privatisierungsstelle verlangen können, dass ein Gutachterausschuss nach § 192 Baugesetzbuch zur Ermittlung des Wertes eines bestimmten Grundstücks angerufen wird, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die regionalen Wertansätze als Wertermittlungsgrundlage ungeeignet sind.

47 Zu § 192 BauGB hat die deutsche Regierung in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichtshofs ausgeführt, dass sich der Ausschuss einer Geschäftsstelle bedient, die die Erstellung des Gutachtens vorbereitet, in dem mehrere für die Grundstücksbewertung relevante Parameter, wie Bodenrichtwerte, Vergleichswerte aus der Kaufpreissammlung, Mieten, Zinssätze, Normalherstellungskosten und Marktanpassungsfaktoren, berücksichtigt werden.

48 Aus den in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen ist daher festzustellen, dass nur eine Arbeitsweise dieses Gutachterausschusses, die zur Ermittlung eines dem Marktpreis gleichwertigen Preises führt, die Kriterien der Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Vertrags über staatliche Beihilfen erfüllen kann.

49 Drittens ist, soweit § 5 Abs. 1 FlErwV, wie die deutsche Regierung vorträgt, mit dem Verweis auf die Wertermittlungsverordnung vom 6. 12. 1988 eine dritte Berechnungsmethode enthalten sollte, zum einen zu beachten, dass es Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist, in den bei ihm anhängigen Rechtssachen zu klären, welches die richtige Auslegung des nationalen Rechts ist.

50 Zum anderen verlangt das Gebot einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, das dem System des Vertrags immanent ist, da dem nationalen Gericht dadurch ermöglicht wird, im Rahmen seiner Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, wenn es über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit entscheidet, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewandt werden kann, dass es nicht zu einem dem Unionsrecht zuwiderlaufenden Ergebnis führt.

51 Im vorliegenden Fall ist es daher Aufgabe des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob § 5 Abs. 1 FlErwV insbesondere im Licht eventuell anwendbarer weiterer nationaler Bestimmungen wie der Wertermittlungsverordnung vom 6. 12. 1988 und – wie BVVG bemerkt – von § 404 Abs. 2 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs in einer Weise ausgelegt werden kann, die mit Art. 87 EG in Einklang steht.

52 Im Übrigen ist noch darauf hinzuweisen, dass, auch wenn das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit von § 5 Abs. 1 FlErwV mit Art. 87 EG feststellen sollte, nicht auszuschließen wäre, dass die in dieser Bestimmung des nationalen Rechts vorgesehene Methode in einigen Fällen zu einem vom Marktwert abweichenden Ergebnis führt. Gemäß der allen staatlichen Organen einschließlich der nationalen Gerichte und der Verwaltungsbehören obliegenden Verpflichtung, eine gegen das Unionsrecht verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts außer Anwendung zu lassen, wären unter diesen Umständen das Gericht und die mit der Anwendung dieser Bestimmung betrauten Verwaltungsbehörden gehalten, diese nationale Bestimmung unangewandt zu lassen.

53 Hierbei muss das nationale Gericht insbesondere berücksichtigen, dass dies gegebenenfalls die Verpflichtung mit sich bringt, alle Maßnahmen zu erlassen, um die volle Geltung des Unionsrechts zu erleichtern.

54 Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 87 EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für die Ermittlung des Wertes land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, die von der öffentlichen Hand im Rahmen eines Privatisierungsprogramms veräußert werden, Berechnungsmethoden wie die in § 5 Abs. 1 FlErwV festgelegten vorsieht, sofern diese Methoden eine Aktualisierung der Preise in Fällen eines starken Preisanstiegs vorsehen, so dass der vom Käufer tatsächlich gezahlte Preis sich dem Marktwert dieser Grundstücke möglichst weit annähert.